ein Tag, an dem wir viele Stunden im Auto sitzen. Der Verkehr in Sao Paulo zieht sich zäh dahin. Das Zentrum von Sao Paulo ist dicht umndrängt von Favelas, manche nur aus ganz einfachen Holzbaracken gebaut.

Zunächst besuchen wir mit einer kleinen Gruppe ein Permakulturprojekt, direkt gelegen am Ilha-Solteira-Stausee.  Am Stausee, werden wir von einem stechenden Geruch empfangen, die Ursache ist die heftige Verschmutzung des Wassers an dieser Stelle.  Wir werden freundlich empfangen von Franz, einer der Täger dieses Projektes, der sich für die Reinigung des Wassers einsetzt. Eine kleine Gruppe lebt und arbeitet hier, sie haben eine Biogasanlage, von Fabio inspiriert, aufgebaut und  viele Kräuter wachsen auf der Dachterrasse des Hauses. “ Warum ist das Wasser hier dermassen verschmutzt? Kennt ihr die Hintergründe,” ruft Rajendra aus. “Und das ist nicht nur hier so, weltweit geschieht dieser Missbrauch mit dem Wasser. Grosse Firmen siedeln sich an, sagen den Menschen, dass sie wissen, wie man das Wasser reinigt und lassen es zu, dass vollkommen verschmutzes Wasser mit sauberem Wasser vermischt wird.” Es ist jetzt hier nicht der Ort, um sich weiter auszulassen über die Themen, aber es ist deprimierend zu sehen, wie die Menschen, die hier jahrelang als Fischer gelebt haben, plötzlich weg gehen müssen, vertrieben von ihren Orten, weil niemand mehr am Ufer des Sees leben kann. Rajendra versammelt uns bei einem Gang an das Ufer an einem grossen Abflussrohr und bittet uns, gemeinsam auszurufen: “Niemals darf verschmutztes Wasser sauberes Wasser treffen!” Er wiederholt diesen Ausruf in Hindu , als wären wir unter Tausenden von Menschen, ein Versuch die deprimierende Energie in Kraft zu  wandeln.

Anschliessend sitzen wir wieder Stunden lang im Auto um auf die andere Seite der Stadt zu kommen. Wir besuchen Hermes, der die Schule unter der Brücke gegründet hat, “Nue” steht in grossen Buchstaben an der Hauswand der Schule, was soviel wie “nackt” bedeutet. 

Ich will hier nur einige Eindrücke skizzieren – wir werden mit einem wunderbare Essen empfangen. Hermes spricht hinterher öffentlich sein Gebet. “nomalerweise beten wir vor dem Essen, aber ich habe gesehen, wie hungrig ihr seid, deswegen mache ich es jetzt hinteher,” sagt er lachend.

Für ihn ist es eindeutig ein Glaube an seine Führung, die ihm die Kraft gibt. Was er zusammen mit anderen hier verwirklicht hat, ist ein lebendiges Wunder. Unter der Brücke begann der Traum. Gemeinsam mit den Kindern haben sie hier ihre Vision begonnen. Was soll hier entstehen hatte er die Kinder gefragt. Ein Sportplatz, eine Bibliothek, eine Bühne… die Kinder hatten begonnen zu visionieren – alles davon hat sich manifestiert.

Es fällt auf, wie sehr die Kinder uns vertrauen. Sie suchen Umarmung, fragen uns, wer wir sind und umzingeln uns neugierig. Sie führen uns freudig einige Performances vor, die sie für uns vorbereitet haben. Anschliessend besuchen wir den Aguaforest, wo sie lernen über Natur, Pflanzen, Tiere, Wasser, Energie.

Innerhalb von acht Jahren wurde dieses Projekt von Frauen aufgebaut. Ich bin sprachlos. Hier atmet pure Liebe in allem, was hier entstanden ist. An der Tür eines kleinen Lehmhauses ist eine Zeichnung  angebracht, eine knieende Frau, die sich der Erde zuneigt. Es erinnert mich an das Kosmogramm, das in unserem Steinkreis an dem Stein für die USA – “Turtle-Iland”, angebracht wurde. Menschen, die sich wieder der Erde zuneigen und deswegen auf die Stimme der Erde hören.

Eine Frau, ca 70 Jahre alt, kommt aus ihrem Garten und begrüsst uns in dem grosszügigen Gewächshaus mit Küche. Sie fällt uns glücklich in die Arme. Sie nennt sich “Nachbarin” und sagt, wenn wir alle diese Nachbarschaft finden, mit dem, was uns umgibt, dann haben wir eine neue Welt.Inspiriert von der Arbeit hier, haben die Menschen, die hier leben, begonnen den Damm zu bewalden, der diesen Gebiet von einer grossen Strasse trennt. Dieser Ort berührt mich tief, er zeigt, was für eine verändernde Kraft Menschen haben, wenn sie wirklich etwas verändern wollen.

Man kann es kaum noch aufnehmen, aber Hermes führt uns zu einem dritten Projekt, wo Kinder und Erwachsene zusammen arbeiten. Hier gibt es eine Nähwerkstatt, ein Kunstatelier eine Holzwerkstatt, und vieles mehr. Er führt uns in einem Raum, wo einer der Mitarbeiter ein Gemälde von Salim aus Benin erstellt hat. Das ist das Geschenk von Hermes an Salim aus Benin, den Hermes hier als seinen Bruder bezeichnet, durch den sichtbar wird, das wenig Menschen die Welt verändern können.

Wir verabschieden uns herzlich und sehr dankbar. Jetzt könnte ich ins Bett fallen, man will schlafen, oder schreiben, oder irgendetwas tun, um alles das zu verarbeiten.

Stattdessen werden wir in eine kleine Bar gefahren, um einer hier wöchentlich stattfindenden Kulturveranstatltung beizuwohnen. “Cooperifa” – Kooperation an der Periferie. Eine Bewegung die von Sergio Vaz vor vielen Jahren ins Leben gerufen wurde und sich seither im ganzen Land verbreitet hat. Eine Feier der Kultur des Wiederstandes der Slums und vor allem der schwarzen Bevölkerung.    Hier versammelt sich alt und jung und sie formulieren ihre künstlerischen Worte, die Wut, den Zorn, die Sehnsucht, die Enttäuschung, eine alchemistische gesitige Küche, um all diese Gefühle in Kraft zu verwandeln. Ein lebendiges Zenrum einer Revolution, die nicht dem Hass folgt siondern der Macht der Transformation.

Ich sitze neben Sami vor seinem kleinen Telefon und mithilfe der neuen Technologie gelingt es tatsächlich, alle Inhalte mitzuverfolgen. Eine kleine Übersetzungsmaschine übersetzt in rasanter Geschwindigkeit all die vorgetragenen Texte.

Irgendwann wird Salim auf die Bühne gebeten, ein lebendiger König aus Benin. Er gibt seiner Bewegung durch ein Gleichnis Ausdruck. Offenheit gegenüber dem Fremden, Dienst an der Welt ist die Kraft des Überlebens, das ist die schlichte Essenz der Geschichte.

Zu mir kommt während des Abends ein Nachfalter und bleibt die ganzen zwei Stunden auf meinem Kopf sitzen. Ich fühle, dass es ein Boote ist, ein Gruss aus den anderen Welten. Ich fühle die ganze Zeit ein leises Prickeln auf meinem Kopf.  Was ist es, was du mir sagen möchtest? Erst auf der Heimreise fliegt er davon.