Zu schwach, um den Ring der Kraft zu machen. Ich verbringe ihn im Bett. Aida und Sami aus Palästina machen den Film und parallel vollzieht eine kleine Gruppe ein kleines Feuerritual, um die neue Feuerstelle einzuweihen und Abschied zu nehmen von Menas Seele. Agatha singt ein wunderschönes Lied für Mena und ihre kosmische Reise.
Um sechs Uhr verlassen wir das Haus. Ich beschließe, trotz Fieber mitzureisen.
Es wird ein Reisetag nach Ubatuba, eine Stadt mit ca 90 000 Einwohnern in einem der größten Naturschutzgebiete Kolumbiens. Hier wurde 1553 der erste dokumentierte Friedensvertrag zwischen der einheimischen Bevölkerung und Europäern in Südamerika unterzeichnet, der allerdings gleich im Anschluss von den Portugiesen gebrochen wurde.
Mit Cláudio haben wir ein intensives Gespräch über die Allianz und die mögliche Zukunft für den Globalen Campus. Cláudio hebt mit engagierten Worten hervor, wie wichtig für ihn der Plan der Heilungsbiotope ist. Er weiß um die tiefe Bedeutung der Transparenz und Wahrheit unter Menschen und deswegen auch, wie wichtig das sexuelle Thema ist. “Solange wir hier nicht fähig werden zur Wahrheit, können wir viele Erneuerungen vollziehen, aber es wird dann doch nur eine Tünche über ein ungeklärtes Thema, und führt immer wieder in alte, undurchschaute Machtstrukturen zurück.”
Er spricht bewegende Worte über Hierarchie. Für ihn ist es selbstverständlich, dass er eine besondere leitende Rolle hat und gleichzeitig tut er alles dafür, dass jede Person in ihre Leitungskapazität hineinwachsen kann. Die Bedeutung des Kollektives und die Rolle des Individuums darin sind ein Schlüssel dafür, um das Vorgehen in der Favela mehr zu verstehen.
“Wir brauchen eure Unterstützung im Bereich von Liebe und Sexualität, und in der Frage, wie wir alte patriarchale unbewusste Strukturen auflösen können. Und wir brauchen Unterstützung im Aufbau autarker Modelle. Der globale Campus ist für uns dafür eine echte Möglichkeit für die Vertiefung. Das sind die zwei Schlüssel, die wir brauchen, für einen fundamentalen Systemwechsel.”
Claúdio bedankt sich bei uns für unsere Reden. “Sie waren so global. Das ist es, was die Menschen hier brauchen.” Er erzählt uns immer wieder, wie wichtig Tamera für ihn ist und für seine Arbeit hier. Die stärkste Kooperation gab es für ihn während dem Globalen Campus. Das hat einen enormen Wandel in die Favelas gebracht.
In bewegenden Worten spricht er über das Thema Rassismus, und wie traurig es für ihn war, zu sehen, dass das Thema „Rassismus“ auch innerhalb von Tamera zu Konflikten geführt hat. „Ich selbst weiß soviel über das Thema und wurde von denjenigen, die es eingebracht haben, kaum gefragt. Das ist auch eine Form des Rassismus, denn wahrscheinlich war ich ihnen nicht intellektuell genug.“ Er betont, wie oft dieses Thema falsch verstanden wird und auch missbraucht wird, um sich dahinter zu verstecken. Hier hätte ich teilweise gerne mehr Übersetzung gehabt, denn dieses Thema ist sehr zentral für den Aufbau funktionierender Gemeinschaften, wenn sie wirklich zu planetarischen Gemeinschaften werden wollen. Ich lausche seinen engagierten Worten und lerne auf diese Weise immer mehr portugiesisch. Einen Monat hier ohne jede Übersetzung, und ich könnte die Sprache!
Gleichzeitig ist für mich alles wie eine Traumreise. Mein fiebriger Zustand lässt mich alles wie einen Film erleben. Nach zwei Wochen fast nur Stadt, Verkehr, Lärm, dicht gedrängt unter Menschen, jetzt plötzlich die Macht der Natur! Nach einer sehr kurvigen Strecke durch das riesige Naturreservoir kommen wir schließlich an die Küste. Angeblich gibt es hier schwarze Panther, Ozelote und sehr besondere Schlangenarten. Mein körperlicher Zustand ist leider so, dass ich nur liegen möchte.
So ziehe ich mich zurück, nach einem ersten Willkommensgruß an einem wunderbaren Ort direkt an der Küste, und gebe mich meinen Fieberträumen hin. Die Seele braucht das wohl, um zu verdauen.