Die meisten Menschen vom Consejo (der gewählte Rat der Gemeinschaft) sind immer noch unterwegs in Mulatos. Was der wirkliche Anlass war, werden wir morgen erfahren, denn sie sind vorsichtig mit der Nachrichtenverbreitung.

So verbringen wir viel Zeit, um mit einzelnen Mitgliedern der Gemeinschaft zu sprechen. Unser wichtigster Fokus ist und bleibt Brigida, ab und zu kommen einzelne aus der Gemeinschaft an unserem Haus vorbei, die Freude der Begrüssung ist immer groß. Carlos, der jüngste Sohn von Brigida, Elias, der Techniker und Allrounder der Gemeinschaft,  Louis Miguel, einer der jungen Mitglieder des Consejo, ein sehr engagierter aber schüchterner Mann, sind einige der wenigen Männer, die hier aufgetaucht sind. Sie alle waren bereits in Tamera und uns verbindet ein tiefes Band der Solidarität und Freundschaft. Ansonsten sind es vor allem Frauen. Sie tragen und bewegen einen grossen Teil des sozialen Lebens hier. Martha, die mit uns durch Israel gepilgert ist, begleitet die Kinder in der Schule. Die Frauen wirken selbstbewusster und auch im Consejo sind inzwischen Frauen, was früher nicht der Fall war.

Wir hatten ein Gespräch mit Louis Miguel des Consejo, der hier geblieben ist. Er schildert uns die Situation der Gemeinschaft aus seiner Sicht, er meint dass vieles einfacher und durchschaubarer geworden ist, seitdem viele die Gemeinschaft verlassen haben. Diejenigen, die hier geblieben sind, wissen warum.

Er ist 31 Jahre alt. Er hat ein Fernstudium begonnen, vor allem um sich in ökonomischen Fragen besser auszukennen. Er sagt, dass viele gehen mussten und wahrscheinlich immer noch gehen werden, wegen der herausfordernden ökonomischen Situation. Dieses Jahr gibt es kaum Kakao und so haben viele nicht genügend Geld und müssen sich irgendwo Arbeit suchen, um sich Essen zu kaufen.

Immer wieder wiederholt er: Die Situation ist sehr komplex.

Er erzählt, dass sie sich seit einiger Zeit auch mit anderen südamerikanischen Gruppierungen treffen, aus Ecuador, aus Chile, Peru und Bolivien. Die Situation sei in vielen Ländern sehr ähnlich.

Sie sind dankbar für die Treue von Padre Xavier Gildado, der zur Zeit eher selten hier ist, da er sich sehr einsetzt in Bogota um die wahren Anliegen der Gemeinschaft an den entsprechenden Stellen vorzutragen, dankbar für den Einsatz von Gloria Guartas  und vielen anderen.

Auf die Frage, was sie von der neuen Regierung denken, sagt er nachdenklich: Dass sie auch gerne glauben würden, dass es eine Regierung ist, die wirklich humane Interessen hat, dass aber die Situation insgesamt sehr herausfordernd sei und es unter den Bedingungen sehr schwierig sei in der Regierung zu sein und die humanen Interessen beizubehalten.

Am frühen Abend wird unser Haus zu einem Versammlungsraum von Kindern, Frauen, Hunden und Katzen. Placho der Musiker, der inzwischen 36 Jahre ist, Erika, die Frau von Arley, der mit uns durch die Wüste in Palästina gepilgert ist, und der jetzt mit dem Consejo unterwegs ist, Martha, die wir auch seit unserer Pilgerschaft in Palästina kennen, und die heute die Schulkinder betreut.

Hektor, ein bescheidener Mann der älteren Generation versorgt uns mit Bananen, Brigida sitzt unter uns und häkelt ihre Taschen, mit denen sie immer wieder etwas Geld verdient. Und die Nachbarin bietet uns Tamales an, ein Gericht in grosse Blätter eingepackt, mit Gemüse, Kartoffeln und etwas Galinha. Das erste Mal, dass ich hier in der Gemeinschaft Fleisch esse.