Eine Friedensvision für Kanaan

Eine Friedensvision für Kanaan

Ich bin zurück von einer langen Reise.

Unmittelbar nach einer Visionssuche in New Mexiko leitete ich zusammen mit Hanna Milling ein Seminar zu dem Thema, „Wut der Frau und ihre mögliche Transformation“. Das führte zu dem Beschluss einiger Frauen, unser Schweigen zu durchbrechen.  

Es beginnt mit einer Mahnwache in Berlin in einem Kreis von ca 40-60 Frauen, die sich gut kennen und trainiert sind in gewaltfreiem Widerstand. Dies ist ein wesentlicher Schritt für uns, um einen Beitrag dazu zu leisten, den allgemeinen Bann, das deutsche Schweigen zu brechen und einen kollektiven blinden Fleck zu durchschauen  und sichtbar zu machen, dass wir nicht teilnehmen an diesem Wahnsinn eines ewigen Mordens. Krieg kann nicht mit Krieg beendet werden.

Die grösste Aufgabe, vor der wir heute gemeinsam stehen, besteht für mich darin, zu dem Fundament der Wahrheit zurück zu finden. Wir sind dabei, aus unserem unbewussten kollektiven traumatischen Film einer mehrtausendjährigen Kriegsgeschichte zu erwachen, ein Horrorfilm, der derzeit die Kriegsereignisse auf dieser Erde bestimmt und zu immer grösseren menschlichen Katastrophen führt.

Aus diesem ersten Schritt folgt für mich eine nächst grössere Vision, die uns befähigen soll, die Kraft in uns zu finden, unsere eigenen Schatten zu transformieren und der Realität zu begegnen, die in der Lage sein wird, das Elend in Gaza wirksam zu beenden.

Ist es nicht offensichtlich, was Dieter Duhm in seinem Text schreibt:

„Wenn wir sehen könnten, was jetzt in diesem Moment auf der Erde geschieht, würden wir auf der Stelle all unsere Gewohnheiten vergessen. Wir würden alles, was in unserer Kraft liegt, dafür tun diesen Horror zu beenden. Wir würden bereit sein für allen Wandel in unserem eigenen Leben, wenn wir wüssten, wie wir den Krieg beenden können. Wir müssen bereit sein, unseren eigenen traumatischen Knoten zu transformieren.“

Die hier beschriebene Vision soll die grosse Vision von den „Frauen in Weiss“ – die sich für den sofortigen Waffenstillstand in Gaza einsetzen wollen, weiter stärken, unterstützen und beleben. 

Seit langem gehe ich mit der Frage schwanger, was mein Beitrag sein kann. Die Visionssuche hat mir sehr geholfen, wieder in Kontakt zu treten mit der lebendigen Erde und der Vision, wie diese Erde von der Menschheit friedlich bewohnt werden könnte. Noch nie habe ich so kontinuierlich und lang anhaltend wahren inneren Frieden erlebt.

An einem winzigen Ort von ca 1.70 m Durchmesser, ohne Wasser, ohne Essen, hingegeben an die hohen Temperaturen und den gelegentlich aufflammenden Gewittern, lauschte ich auf die Stimme des Lebens und dieses geliebten Planeten Erde.

Ich weiss es jetzt wieder: „Friede ist eine Realität,“ er existiert und ist abrufbar.

Natürlich waren mir in dieser Zeit all diejenigen, die unter schwierigsten Bedingungen ohne Schutz in Obdachlosigkeit leben, besonders nah. Ich war besonders verbunden mit meinen palästinensischen und israelischen Freunden und mit den entsetzlichen Ereignissen in Gaza. Das Elend und der Schmerz, der gerade dort stattfindet ist so unaussprechbar. Es geschieht seit langem ein Völkermord, den wir schweigend dulden, weil wir mehr an unsere Ohnmacht glauben, als an unsereMacht. Ich konnte den Schmerz und das Ohnmachtsgefühl nah an mich heran lassen, ohne zu verdrängen.

Es war so offensichtlich, dass wir die Ursachen erkennen müssen und nicht länger aus Angst schweigen dürfen. Ich habe den kollektiven Schmerz gesehen und seine mögliche Lösung.

Ich bin entschlossen alles zu tun, was in meiner Kraft liegt. Ich weiss wieder, dass das Unmögliche möglich ist, wenn wir es wollen. Es war merkwürdig, neben aller Hilflosigkeit konnte ich doch hinter allem die schützende und liebende Hand der Matrix des Lebens und der Liebe fühlen. Inmitten der magischen Stille erhielt ich plötzlich ein Bild zur Situation in Palästina und Israel, das sehr machtvoll erschien.

Ich weiss, dass ich es aus eigener Kraft nicht verwirklichen kann, aber die Vision erschien doch so nah an der Realität und auch so mächtig, dass sie sich tief in meine Zellen einprägte und einen starken Handlungswillen frei setzte. Ich möchte das Bild beschreiben.

Ich sehe mich selbst mit einer Gruppe von ca 100 – 200  Menschen in einer Friedensmahnwache.

Ich sehe uns gemeinsam in einem Camp an einem ehemaligen Militärgelände in der Wüste Negef gelegen, nicht weit entfernt von Mitpze Ramon, ca 104 km Luftlinie von Gaza entfernt.

Ich sehe die Frauen in Weiss gekleidet, Männer sind als Unterstützer dabei.

Ich sehe, wie sich entschlossene Friedenskräfte zusammenschliessen, jeweils zu einer Triplex,  um zu prüfen, wie die Vision eines gelebten und praktizierten Friedens in uns aktiviert werden kann. In einer Triplex sind jeweils ein Israeli, ein Palästinenser und eine deutsche Person, die eine Art Patenschaft füreinander übernehmen und sich gemeinsam vorbereiten auf das Friedenscamp. Sie werden während der ganzen Zeit, bevor das Camp startet und auch danach füreinander Sorge tragen.

Die Triplex ist sozusagen die kleine Zelle in dem Camp, die Teilnehmerzahl kann in dem Ausmass wachsen, wie die Basis stabil ist. Wichtig ist, dass die innere und die äussere Friedensarbeit gründlich miteinander verwoben bleiben.

Voraussetzung für die Teilnahme ist, dass die Beteiligten über das kollektive Trauma der verschiedenen Nationen informiert sind, dass sie über die Grundlagen der Gewaltfreiheit informiert sind und dass sie mit keiner der Nationen oder auch Parteien persönlich zu identifiziert sind.

Sie kennen die inneren oft unbewussten Muster von Angriff und Verteidigung.

Es ist selbstverständlich, dass sie ihre Heimat lieben, aber sie identifizieren sich nicht einer Politik, die zu immer neuen Kriegen führt und erkennen, dass sie unter Konditionierungen gross geworden sind, die immer neue Feindbilder brauchten.

Sie sind willens, die aufgezwungenen nationalen Identitäten zu durchdringen und an ihren heilen Kern zu gelangen.

Dieses Land wurde einmal friedlich bewohnt, und wir verbinden uns mit der Stimme der Ahnen, die eine friedliche Vision für das Leben auf dieser Erde kennen und bewahrt haben.

Wir wollen gemeinsam vordringen an einen ursprünglichen Friedenstraum, der nicht von der patriarchalen Herrschafts-und Machtstruktur getrübt ist. Es ist eine gemeinsame Mahnwache. Wir richten unsere Aufmerksamkeit zusammen mit allen sichtbaren und unsichtbaren Kräften auf die Friedensvision dieses Landes und dieser Erde.

Wir lauschen auf die Stimme der Wüste und aktivieren die Vision eines friedlich bewohnten Palästinas, von vielen auch fruchtbarer Halbmond genannt. Wir decken die Ursachen des Krieges gemeinsam in uns und unserer Umwelt auf, um sie gemeinsam zu heilen.Wir alle sind auf ein Ziel ausgerichtet: Wir stehen für sofortigen Waffenstillstand, und darüber hinaus für die bedingungslose Suche nach gewaltfreien Lösungsmodellen: Krieg beenden – Frieden leben. „Krieg lässt sich nicht mit Krieg beenden“, das ist unser verbindendes Statement.

Aus der gemeinsamen Verbindung mit der Friedensvision kommen die Führung und die Kraft, die uns helfen werden, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Ich denke an eine gemeinsame Fastenwoche. (Wer glaubt, essen zu müssen, bringt sich selbst das Nötigste mit.)

Wir werden jeden Tag  in Stille meditieren, gemeinsam singen und uns täglich in unserer Triplex über die empfangenen Bilder austauschen.

Einmal am Tag versammeln wir uns in kleineren Gruppen und am frühen Abend vor Sonnenuntergang gibt es ein Plenum für alle, um wichtige Einsichten einzusammeln. Zu Sonnenauf – und Untergang sind wir gemeinsam in stiller Meditation.

Am siebten Tag sehe ich uns gemeinsam an einem Ort in Jerusalem in einer gemeinsamenMahnwache. Und wenn die Kraft reicht, mündet es in einer gemeinsamen Hilfsaktion für die Zivilbevölkerung in Gaza.

Ich konnte keinen genauen Zeitpunkt sehen. Es war klar, dass dieses Bild noch im Bild der Vision liegt und sich noch klarer formen muss.

Ich fühle, welche Kraft in einer Vision liegt. Ich habe mit ersten spannenden Gesprächen begonnen und ich merke, wie in vielen sich eine neue Kraft und ein neuer Wille formt. Vielleicht wird etwas ganz anderes daraus entstehen. Aber es fühlt sich an, wie eine höhere Ordnungsebene, wo sich Menschen leichter zusammenfinden zu einem gemeinsamen Ziel.

Ich habe meinen Glauben wieder gewonnen, dass wir etwas bewirken können.

Der nächste Schritt besteht für mich darin, dass sich genügend Menschen zeigen, die willens sind in der Organisation zu helfen und bereit sind gemeinsam Verantwortung anzunehmen für dieses geistige Abenteuer.

Wer weiss, vielleicht trägt schon die Vision dazu bei und ich sehe uns bei einer Mahnwache, wo die Waffenruhe bereits beschlossen wurde. Gerade jetzt wird es täglich in den Nachrichten erwähnt, dass wieder ernsthaft über eine Waffenruhe diskutiert wird. Mögen unsere guten Gedanken und unsere Bereitschaft, aus dem Schweigen auszutreten, einen Beitrag dazu leisten.

In Naherwartung und Dankbarkeit für das erhaltene Bild,

von Herzen

Sabine