Mittwoch, 20. November
Bei der Intensität des Lebens hier komme ich nicht mehr dazu jeden Tag zu dokumentieren. Aber ich möchte die wesentlichen Punkte zusammenfassen:
Der 18. November war geprägt von Schwierigkeiten im Aufbau unseres kollektiven Gruppenkörpers. Die Moderation in einer Gruppe von Menschen, die sich fast noch nicht kennen, wo jede Tradition gehört werden möchte, und gleichzeitig als Gast in einem Land zu sein, dessen Tradition und Intention wir gemeinsam kennenlernen wollen, braucht eine hohe menschliche Reife. Wenige und essentielle Worte zu finden, achtsam zu sein für die Übersetzungen und vieles mehr, stellt uns vor große Herausforderungen.
Ich wusste vorher, dass das schwierig sein würde. Aus meiner Sicht sollte eine Gruppe sich bereits recht gut kennen, bevor sie gemeinsam als eine Delegation einen anderen Ort besucht, aber das Leben wollte es dieses Mal anders und meine innere Stimme hat mir sehr klar gesagt, dass es für mich wichtig ist, die Tradition der Kogi und der Arhuaco intimer kennenzulernen, da wir dort wichtige Hinweise für den Aufbau unserer eigenen Gemeinschaft finden werden.
Trotz aller Wallungen wurde der Tag letztlich sehr konstruktiv. Es gab kleine Gruppen. Das erste Mal fand die Gruppe der jungen Menschen zusammen, die sich untereinander darüber austauschen konnten, wohin in dieser herausfordernden Zeit ihr Weg gehen wird. Die Menschen von der Comunidad de Paz de San José, Eleanor von „Standing Rock“ und Alén aus Kolumbien, der in einem der größten Ökodörfer Kolumbiens lebt, konnten miteinander sprechen. Sie kamen erfrischt zurück.
Wir hatten Gelegenheit, an einer Delegation zum Thema dieser Gegend zu arbeiten. Ihnen ist es sehr wichtig, Öffentlichkeitsarbeit zu machen, damit die Fragen dieser Region mehr wahrgenommen werden. Ati, Indra, Dr. Roman von der Human-Health-Organisation, und Cheryl saßen beieinander, um die zentralen Punkte zu bestimmen.
Es war ein Geschenk, Indra unter uns zu haben, der zusammen mit Rajendra sehr erfolgreiche Medienstrategien entwickelt hat, um Deklarationen auszuarbeiten und Gehör in der Öffentlichkeit zu finden. Wir haben es ihrem Engagement zu verdanken, dass in Indien die Bewegung zum Schutz der indigenen Bevölkerung, das Recht des Wassers und die ökologische Heilung dieser Erde zum Erfolg kamen.
Es gab am Anfang etwas Konfusion in der Gruppe, die uns spiegelt, dass das nötige Vertrauen erst entwickelt werden muss. Die Befürchtung, dass die eigene Stimme übergangen wird, ist oft sehr schnell aktiviert. Trotz dieser Differenzen konnten wir effektiv arbeiten. Meine Aufgabe ist dieses Mal vor allem die feinfühlige Vermittlung.
Wir widmeten einen Tag dem Thema Frieden. Die Koordinationsgruppe wollte drei verschiedenen Projekten dafür das Wort geben, was immer sehr schnell dazu führt, dass andere sich ausgeschlossen fühlen. Es gab einen sehr speziellen Moment, wo Indra aufgestanden ist und darauf hingewiesen hat, dass so viele Menschen Redebedürfnis haben und dass er das Gefühl hat, dass der Ursprung der Allianz nicht genügend gewürdigt wird und dass ich mehr sprechen und koordinieren solle, damit mehr klar wird, was das ursprüngliche Anliegen der „Defend-the Sacred-Allianz“ (DSA) ist.
Indra kommt aus einer Tradition, wo es selbstverständlich ist, die Ursprünge und damit auch die Elder zu ehren, die die Gründungsimpulse von Projekten oder Gemeinschaften repräsentieren. Ich beobachte ihn und lerne ihn immer tiefer kennen, in welcher Bescheidenheit er Rajendra begleitet, obwohl er selbst ein sehr bekannter Journalist und Aktivist in der indischen Friedensbewegung ist.
Ich nutze die Gelegenheit zu sprechen, um die Essenz unserer Arbeit und unseres Anliegens darzustellen: Akkupunkturpunkte schaffen für den Frieden, Gemeinschaftswissen aktivieren, die Notwendigkeit der inneren und äußeren Friedensarbeit sichtbar machen und den Ursprung erkennen, wo sich entscheidet, ob Krieg oder Frieden ist. Ich hebe auch den Zusammenhang zwischen der Misshandlung des Wassers auf dieser Erde und der Misshandlung unserer heiligsten Quelle, der Sexualität, hervor.
Sonntag, 17. November, bis Samstag, 23. November
Wir haben die Gelegenheit, weitere Mamos zu begrüßen. Der Älteste – ein Mamo der Kogis – ist über 100 Jahre alt. Er ist Mamo der Kogi und heißt Amomako. Sein Name ist auch Gabriel. Sie sind einen weiten Weg von den Bergen zu uns gekommen.
Wir beginnen den Morgen mit einer kurzen Einführung. Wir haben inzwischen auch hier in Pueblo Bello, wie dieser Ort genannt wird, einen kleinen Altar aufgebaut. Ich habe eine kleine Wasserschale mit unserem Wasserkosmogramm dort stehen.
Wir geben anderen, die noch nicht gesprochen haben, die Möglichkeit sich weiter vorzustellen. Unter uns ist der Mamo Komiaku, er ist der Mamo für die Wasser hier und für diese Region von Atis Dorf. Ein stiller Mann mit hoher Präsenz. Er spricht nur das Nötigste. Es wird uns gesagt, dass er auch nachts damit beschäftigt ist, mit den Wassern zu beten, um zu horchen, was mit unseren Wassern geschehen soll.
Unter uns sind auch einige Mamos von den Kogi. Sie sprechen eine andere Sprache als die Arhuaco. Dass sie alle Spanisch lernen mussten ist das Erbe des Kolonialismus.
Es gibt einen Moment der Zeremonie. Sie kamen genau in dem Moment an, als wir dazu eingeladen hatten, dass sich diejenigen noch vorstellen können, die noch nicht gesprochen haben. Cheryl überbringt Geschenke von ihrer Tradition des „White Buffalo“ und berichtet von den sieben Richtlinien ihrer Tradition, die ihnen helfen sollen, ihre ethische Orientierung rein zu halten, für die Individuen, die Familie, für die Gruppe, und für die Nation.
Es ist ein besonderer Moment und auch Eleanor spricht bewegende Worte des Dankes für diesen Moment der Begegnung zwischen verschiedenen indigenen Kulturen Süd- und Nordamerikas.
Dann gibt es einen Augenblick der gemeinsamen Zeremonie. Die Mamos der Musik spielen das Wasserlied, dass sie empfingen, als das Wasser geboren wurde. Mit dem ersten Gesang wurde das Wasser geboren. Einer der Mamos hat seinen kleinen Sohn mitgebracht, der den Tanz des Wassers eröffnet. Dieses Lied soll dem Ursprung des Wassers dienen und es rein halten.
„Es wurde gesungen, als es kein Wasser gab.“
Ähnliche Lieder haben sie für alle Elemente. Es geht ihnen darum, die gemeinsame Tradition zu ehren und zu erhalten, die sie mit allen Elementen verbindet. Für sie ist es sehr zentral, die Rechte der Elemente wahrzunehmen und dass sie als Älteste die Aufgabe haben, diese Verbindung für die Menschheit verständlich zu machen.
Die Mamos essen in ihren ersten Jahren kein Salz, da zu viel Salz verhindert, die Stimme der Erde wirklich zu hören. Die ältesten Mamos verbringen ihre ersten Jahre oft in Höhlen, um in der Dunkelheit das Licht zu erkennen und die Stimme der Erde wirklich zu hören.
Icha heißt die Sonne – und auch diese wurde in ihrer Mythologie aus der Erde geboren. Zu bestimmten Zeiten tanzen sie neun Tage lang mit dem Mond der Erde und den Pflanzen, um die neun Zyklen der Erde zu achten. „Wir singen zu allen Wesen, eine Art Schlangentanz.“ Aschewena:
„Am Anfang war ein Mann, der die Lieder hatte. Wir haben Lieder für alles, wir verbinden unsere Wassergebete mit dem Schnee und den Sternen.“
2011 gab es ein großes Offering für die Erde mit 40.000 Menschen.
In den folgenden Tagen werden die Ereignisse so dicht, dass ich zusammenfassen muss:
Zunächst besuchen wir einen Ort an dem Ati die Vision eines entstehenden heiligen Ortes für die Wasser aufbauen möchte. Ich glaube, auch dieser Ort ist für sie eine Art Kaduku, also ein Ort, wo sie mit der Erde kommunizieren, auch wenn es hier noch keine Steinsetzungen gibt. „Für mich ist der Ort wie ein Heilungsbiotop“, sagt Ati. Sie nennt ihn Nuwiaka, das heißt übersetzt „Geburtsplatz für alle Menschen“.
Es ist das erste Mal für uns, dass wir etwas tiefer in die Natur kommen. Wir fahren mit dem Taxi und laufen an einem kleinen Fluss entlang zu dem heiligen Ort. Ich genieße die Natur und den Blick auf die uns umringenden Berge.
Als wir ankommen, begrüßt uns ein großer blauer Schmetterling, wie ich sie auch aus Brasilien kenne. Ein Flügel ist etwas so groß wie eine Hand und er leuchtet in tiefem Blau. Wir versammeln uns um das Feuer. Wieder bekommen wir kleine Baumwollfäden in die Hand und werden gebeten, uns mit den heiligen Pflanzen zu verbinden. Es ist der Ort, der uns, nachdem wir uns mit den Wassern verbunden haben, mit der Biodiversität der heiligen Pflanzen verbinden soll.
Ich sitze an einem Platz, wo der Rauch des Feuers beständig zu mir kommt. Meine Augen tränen. Wir beten mit allem, was uns bis hierher genährt hat, wir besinnen uns auf alle heiligen Pflanzen und Orte, die uns damit verbinden. Ich halte den Faden fest in meinen Händen. Alle heiligen Pflanzen der indigenen Völker wurden missbraucht, Coca, Kaffee, Kakao und viele andere.
Irgendwann beginnt es heftig zu regnen. So stehen wir im heftigen Regen und vollenden unseren Gebetszyklus. Jedes Gebet endet damit, dass wir uns zwei Mal links herum um uns selbst drehen und dann rechts herum. All das erinnert mich an die vielen Eingaben, die ich vor mir gesehen habe, als ich im Steinkreis von Evora und auch auf Malta so viele Erinnerungen an die Frühkulturen Europas erhielt.
Als sich das Wetter wieder etwas lichtet, ruft Rajendra wieder und wieder aus:
„Foto, Foto … Wasser, Frauen, Flüsse … Göttin, Göttin, Göttin, Göttin.“
Er bittet uns alle immer wieder, zusammen zu stehen und diesen Ausruf zu wiederholen. Für ihn ist es wie ein Mantra, denn es besteht für ihn ein tiefer Zusammenhang darin, dass das Wasser misshandelt wird, Frauen misshandelt werden und der weibliche Aspekt des Lebens selbst vergessen wurde. So stehen wir zusammen und rufen dieses Mantra in allen Sprachen, die unter uns sind.
„Wir sind die Fotoallianz“, sage ich lachend. Mir ist es manchmal etwas unangenehm, die vielen Fotoaktionen, aber Rajendras Anliegen bestehet darin, die Dinge in die Welt zu bringen, und das unterstütze ich gern.
Auf der Rückfahrt halten wir an dem kleinen Fluss, der eine kräftige Strömung hat.
Einige von uns baden mit großer Freude im Wasser, vor allem Nevaith aus der Friedensgemeinschaft begrüßt diesen Vorgang jubelnd. Auch ich genieße das Bad und bin dankbar für diesen Tag.
Ati berichtet uns vom Beschluss des Mamos, dass wir in die Berge hochfahren, um unser Wassergebet mit den Sprits der Pflanzen zu verbinden und es mit den Schneebergen zu verankern, da dies sehr wichtig ist. Mamo Komeaku ist der Mamo des Berges, der für das Wasser steht. Für alle Elemente gibt es Berge hier. Er möchte mit uns hinauf fahren zu einem heiligen Ort in den Bergen, den sie Inarwa nennen.
Sie sagen, dass es eine sehr schwer zu befahrene Straße sei und wir in einer kleinen Gruppe hochfahren werden. Er nennt Rajendra, Indra, Cheryl, Lalo und mich.
Ich weiß nicht, wie es zu der Auswahl der Namen kam. So wie ich es verstanden hatte, wollten sie vor allem die Wasser, die aus einer reinen Quelle kamen, dort oben verankern, vor allem natürlich die Wasser aus dem Himalaya. Sie luden diese kleine Gruppe noch einmal ein, um das Feuer herum zu sitzen, damit wir unsere Intentionen nennen, wie wir in Zukunft zusammen arbeiten wollen. So saßen wir in einem Kreis in der Kankuwa und sammelten unsere Vorschläge ein, die wir hatten, um in Zukunft in eine vertiefende Kooperation eintreten zu können. Später nannten sie auch andere Namen und dieser Vorgang löste die nächsten Turbulenzen in der Gruppe aus.
Viele waren aufgebracht, empfanden es als Bevormundung. Jetzt trat immer mehr das ein, was ich vorher schon befürchtet hatte, dass wir eben keine Zeit hatten, einen gemeinsamen Gruppenkörper aufzubauen, und das führt natürlich schnell zu vielen Missverständnissen. Ich konnte den Ärger nachvollziehen, aber ich fühlte mich auch verantwortlich dafür, dass unser zentrales Anliegen, die Kultur der Arhuaco tiefer kennenzulernen und unsere heiligen Wasser zu verbinden, nicht unterbrochen würde.
Ich bat die Gruppe in aller Inbrunst, die mir zur Verfügung stand, dass wir mit den Botschaften, die der Mamo erhalten hat, mitgehen, da ich denke, dass es wichtig ist, die Vorschläge unserer Gastgeber zunächst einmal in Achtung und Respekt anzunehmen.
Ich empfehle, dass auch die anderen parallel zu unserem Vorgang ein Gebet machen. Kurz danach schlägt der Mamo genau das vor. Es sei sehr wichtig, dass die anderen den Vorgang unterstützen. Von 8 bis 12 Uhr sollten vier Frauen und fünf Männer im Gebet beieinander sein, wo wir unsere Gebete mit den Schneebergen verbinden können.
Der Wunsch der Mamos ist, dass wir vier Mal hierher kommen. Das ist der Weg, um sich geistig wirklich zu verbinden und in eine verbindliche Beziehung eintreten zu können. Die Zahl vier hat eine große Bedeutung hier. Die vier Elemente, die vier Kernfarben der Erde – Schwarz, Weiß, Rot und Gelb. Später lasse ich mir ein wenig erzählen, was der Hintergrund dieser vier Farben ist.
Eine weitere tiefe Bedeutung hat die Zahl 9. So wie wir neun Monde durchlaufen, bis es zur Geburt kommt, hat dieser Vorgang für jede Art von Manifestation Bedeutung. Deswegen tanzen sie neun Tage gemeinsam in wichtigen Ritualen.
Am Nachmittag machen wir einen Council mit dem DSA-Kreis. Ich werde gebeten, es zu moderieren – und die Hauptaufgabe der Moderation heißt für mich in dem Zusammenhang, das Element der Zeit zu würdigen, so dass tatsächlich jeder die Gelegenheit hat zu sprechen. Ich bitte darum, dass wir unser Herz frei sprechen, so dass wir wirklich bereit sind und mit geöffneten Herzen in die kommende Zeremonie gehen können.
Gabriel hatte darauf bestanden, dass Ati unter uns ist, aber sie entschuldigte sich, dass sie viele Vorbereitungen zu treffen habe. Im kommenden Kreis sprechen viele ihren Ärger über die fehlende klare Koordination und ihr Misstrauen gegenüber unseren Gastgebern aus.
Mein Herz wird immer schwerer, aber ich weiß, dass es wichtig ist. Am Ende spreche ich selbst über die die Schwere meines Herzens und dass ich empfinde, dass sich in dieser Gruppe die Konflikte der ganzen Welt widerspiegeln. Ich bitte noch einmal darum, dass wirklich alle mit offenem Herzen in die Zeremonie gehen. Alle bestätigten, dass sie es tun werden.
Am 21. am frühen Morgen um fünf Uhr sitzen wir in unseren Autos. Wir fahren eine „Straße“ wie ich sie noch nie erlebt habe, obwohl ich sehr schwierige Wege in Indien, Peru und anderen Ländern kennengelernt habe. Ati hatte vorher angekündigt, dass es vielleicht besser ist, wenn wir nicht am Abend zurückkommen, da es möglicherweise starke Regenfälle geben wird.
Nach unserem Unfall zu Beginn dieser Reise sitze ich etwas ängstlicher im Auto als normalerweise, aber es ist merkwürdig: Ich fühle großes Vertrauen, dass dieser ganze Vorgang unter Führung geschieht. Auch zu dem Mamo habe ich Vertrauen.
Lalo hat beschlossen nicht mitzukommen, auch Ivan, der erst später erfahren hatte, dass er doch eingeladen war. So laden wir Eleanor ein, die junge Frau, die zusammen mit Cheryl gekommen war, und Alex fährt als Übersetzer mit uns.
Ich habe großen Respekt davor, wie der Fahrer uns auf diesen Berg hochfährt. Tiefe Regenfurchen durchziehen die Straße und manchmal neigt sich das Auto so tief auf eine Seite, dass es droht zu kippen. Manchmal bleiben wir auch im Matsch stecken, aber durch eine weiche beharrliche Art gelingt es ihm, alle Hürden zu nehmen. Irgendwann parken wir den Wagen und laufen den letzten Kilometer zu Fuß.
Angekommen am Inarwa erlebe ich den Höhepunkt dieser Reise! Ich fühle mich so zu Hause! Ich weiß, dass es dieser Ort war, der mich gerufen hatte. Ein ähnliches Erlebnis hatte ich auch in Peru am See Qoricocha, dem goldenen See, einem Einweihungsort der Inkas, wo ich eine Art Initiation durchlief. Der Legende nach wurden an diesem Ort die ursprünglichen Priester und Priesterinnen der Inkas geweiht.
Die Geschichte, die wir dort von den Indigenen erfahren, haben eine sehr andere Geschichtsschreibung, als diejenigen, die wir sie in den Schulen lernten. Geschichte wird immer von den Siegern geschrieben und natürlich entsprechend gefärbt.
Am Inarwa, dem zentralen heiligen Ort, der die Informationen des Menschen aufnimmt, versammeln wir uns für die Andacht, um unsere Gebete, die wir in der Kaduku verankert hatten, mit den Schneebergen zu verbinden. Es ist atemberaubend schön hier und tut enorm gut, dass wir uns einmal vollkommen ohne Telefon und Internet auf das Wesentliche konzentrieren können.
Der Mamo berichtet bei der Fahrt nach oben – es ist noch dunkel –, dass die auf dem Gipfel des Berges stehenden Antennen, beleuchtet mit hellen Lichtern, nicht mit der Zustimmung ihrer Ältesten errichtet wurden.
„Der Berg wünscht weder Straßen, noch Telefonmasten. Das was hier an Zerstörung geschieht, ist nicht in Resonanz mit der Stimme der Erde und denjenigen, die hier als Mamos befugt sind, die Stimme der Erde zu vertreten.“
Ich fühle die doppelte Botschaft, denn wir selbst sind ja die fast unbefahrbare Straße gefahren und nutzen Handy und Telefon, um die Botschaft zu verbreiten. Im Gebet bitte ich um Vergebung und, dass die Erde uns offenbaren möge, welche Eingriffe und Technologien im Einklang mit ihr geschehen.
Es gehört für mich zu einer zentralen Aufgabe der Friedensbewegung, dass wir Alternativen anbieten können, an die wir wirklich glauben und nicht selbst mit dauernden Widersprüchen arbeiten. Durch Gespräche mit vielen Wissenschaftlern, vor allem mit Jürgen Kleinwächter, weiß ich, dass es durchaus freundliche Energie-Ressourcen gibt, die im Einklang mit der Matrix der Natur und der heiligen Ordnung des Lebens stehen.
Jetzt stellen wir uns auf das Gebet ein. Der Mamo gibt uns winzige Blütenblätter von einer medizinischen Pflanze dieser Gegend in die Hand. Ich vermute, dass es „Frailejones“ war, eine medizinische Pflanze aus der Sierra Nevada, die unter Naturschutz steht und mich ein wenig an das Edelweiß aus unseren Alpen erinnert. Wieder halten wir die kleinen Blättchen in der Hand, richten unseren Geist auf die heiligen Wasser, den Geist der Schneeberge, verbinden es mit der Kraft der Biodiversität dieser Region und bitten um Heilung und Heiligung unseres Umgangs mit der Welt der Pflanzen.
Es fällt mir leicht, mich in diese andere Dimension zu versetzen und für einige Augenblicke alle kulturellen und sozialen Ungereimtheiten hinter mir zu lassen. Danke, dass die Führung uns hierher gelassen hat und wir so geschützt waren.
Ich denke an die Gruppe, die sich jetzt unten in Pueblo Bello an Atis Platz im Kaduku, dem kleinen Steinkreis, im Gebet mit uns vereinigt und parallel verbindet sich auch eine Gruppe in Tamera im Gebet mit uns und den heiligen Wassern. Die Mamos singen das Ursprungslied, mit dem das Wasser geboren wurde, Rajendra stellt heilige Wasserlieder der Hindus in den Raum. Ich singe unser Altarlied, dass ich in Tamera empfangen habe:
„Heiliges Wasser, heiliges Leben, heilige Liebe, heiliges Licht. Du hast uns das Leben gegeben, dich zu ehren vergessen wir nicht.“
Ich könnte Stunden hier verweilen. Kurz vor Mittag verlassen wir den Ort, laufen zurück und es gibt ein kleines Frühstück. Es war ihnen wichtig, dass wir das Gebet mit leerem Magen vollziehen.
Während wir unsere Kartoffeln und Plátanos – eine Bananenart, die als Gemüse verwendet wird – speisen, kommen wir mit dem Mamo Gabriel ins Gespräch, der uns die Geschichte der Entstehung der Erde erzählt. Ich fasse zusammen:
Die Erde und alles, was ist, ist aus Bewusstsein entstanden. Wenn wir unser Bewusstsein rein halten, tragen wir zur Erhaltung der Erde bei. Reine Gedanken sind der Ursprung aller Manifestation. Am Anfang wurden alle Schöpfungsinformationen in einer Art Mikrokosmos versammelt. Aus dieser Kraft wurde alles geboren. Erst anschließend entstand die Größe des Universums. Im Grunde sind alle Informationen in einer mikrokosmischen Verdichtung abrufbar vorhanden.
Alles trägt Mutter- und Vater-Energie in sich. Auch die Sonne wurde aus dem Herzen der Erde geboren. Die Sierra Nevada de Santa Marta mit ihren Bergen und Gewässern ist das Herz der Erde. Wenn sie zerstört wird, endet das Leben auf der Erde.
Geist und Materie sind nicht getrennt voneinander, deswegen ist es ihnen so wichtig, dass man während der Gebete ein kleines Stück reine Materie in den Händen hält. Es ist für sie wie ein Blatt Papier, auf das man die Informationen, die ihnen wichtig sind, aufschreiben kann.
Mich erinnert all das natürlich sehr an den Plan der Heilungsbiotope. Der Plan, den Dieter Duhm formuliert hat, basiert genau auf dieser Aufforderung:
„Ein Ort, an dem eine kleine Gruppe von Menschen es wieder gelernt hat, in Kohärenz mit der heiligen Matrix des Lebens zu leben, zu kommunizieren und untereinander eine kohärente Schwingung aufzubauen, kann die Medizin für das Ganze sein.“
Deswegen erwarten wir nicht, dass die wesentliche Veränderung von Imperien oder Regierungen kommt, die gar nicht mehr mit der Ordnung des Lebens in Verbindung stehen, sondern dass die Erde uns darum bittet, dass wir uns an das zentrale Erdwissen erinnern und dezentrale Gemeinschaftsformen entwickeln, die die Biodiversität des Lebens kennen und lebendig erhalten.
Auf die Frage, wie es denn möglich wurde, dass der Mensch sich so sehr aus der ursprünglichen Heilkraft der Schöpfung trennen konnte, hat der Mamo nicht wirklich eine Antwort. Er sagt nur:
„Weil der jüngere Bruder später kam und den Ursprung nicht mehr verstanden hat.“
Persönlich fühle ich mich tief bestätigt, dass die vielen Informationen, die ich auf Malta und im Steinkreis von Evora empfangen habe, im Wesentlichen richtig sind. Sicher sind diese Botschaften auch durch die Person und die Kultur derjenigen, die die Botschaften empfangen haben, beeinträchtigt und gefärbt, aber sie spiegeln in sich den gleichen Kern.
Dass hier die Kultur der Kadukus, der kleinen Steinkreise, eine solch tiefe Bedeutung hat, bestätigt meine Schau, dass früher Stämme mit Leichtigkeit in der Lage waren, über weite Entfernungen mit dem Herzen der Erde zu kommunizieren. Sie brauchten keine Telefone und Handys. Wie wird das für uns in der Zukunft aussehen? Eine Bewusstseinstechnologie in Harmonie mit den Gesetzen der Schöpfung.
Als nächstes besuchen wir Nuwiaka. Ati eröffnet uns, dass wir die Nacht hier bleiben werden.
Es scheint so, als wäre das bereits geplant gewesen und ich denke mit etwas Sorge an die Gruppe, die wir im Tal zurück gelassen haben, denn wir haben keine Gelegenheit sie zu benachrichtigen. Sie hatten die Information, dass wir bei starkem Regen oben im Berg bleiben werden.
Als erstes besuchen wir den Ort, der von Frauen gehütet wird und an dem Ati auch zur Schule ging. Es ist ein wunderbarer Ort. Er strahlte Ruhe und wunderbare Harmonie aus. In der Legende ist dies der Ort, wo die Sonne zur Geburt kam, und es ist die Aufgabe von Frauen, ihn gut zu hüten. Die Sonne steht für die Vaterkraft, den Sohn aus dem Herzen der Erde, der hier zur Geburt kam.
Wir bekommen ein erstes Mahl: alles mit Gemüse, Pflanzen und Obst, die hier gewachsen sind. Auch das Huhn, das sie für diejenigen anbieten, die Fleisch zu sich nehmen, kommt von diesem Ort. Im kalten Land werden Kartoffeln, Arakacha, Süßkartoffeln, Knoblauch, Kohl und Zwiebeln hergestellt. Im gemäßigten Teil werden Bohnen, Avocado, Mais, Auyama, Zuckerrohr, Banane, Koka, Tabak und Yucca angebaut. Das fühlt sich alles sehr gesund an, ein Kreislauf, der nicht von globalen Handelsketten abhängig ist, und wo dafür gesorgt wird, dass Geben und Nehmen im Einklang mit dem Ganzen stehen.
Wir werden zu einer kleinen Wiese geführt, wo uns die Räume gezeigt werden, in denen wir über Nacht bleiben. Ich habe eine winzige Hütte mit einem Bett, wo ich ganz für mich bin. Ein Gemälde von einer Mutter mit Kind hängt an der Wand.
Es ist eine Art Aue. Die Unterkünfte sind umgeben von einem rauschenden Bach. Der Mamo gibt uns zwei kleine Baumrinden in die Hand und bittet uns, dass wir unsere Gedanken und unsere Aura damit reinigen, bevor wir ins Wasser gehen. In mir ist vor allem Dank dafür, dass die Führung uns hierher gebracht hat, ich muss mich nicht extra um „gute Gedanken“ bemühen. Ich steige voller Dankbarkeit in die kühle Strömung und lasse mich ein wenig Fluss abwärts treiben. Es fühlt sich wirklich so an, als würde der kleine Fluss alles mit sich nehmen, was ich nicht mehr brauche, transformieren und reinigen. Ich reiche dem Mamo die kleinen Baumrindenstücke, die er in einem kleinen Feuer verbrennt.
Wir ruhen ein wenig, dann möchte Ati uns das kleine Dorf noch zeigen und vor allem den Ort, an dem die Mamos der Region sich treffen. Es ist ihnen sehr wichtig, den Mamos der Region unsere Delegation vorzustellen.
Wieder bin ich zutiefst berührt von dem Kaduku, an dem sie mit der Erde kommunizieren. Es ist ein Steinkreis, von dem sie sagen, dass er Tausende von Jahren alt ist. Direkt daneben ist ihr Feuerplatz Kankurwa wo sie gemeinsam um das Feuer sitzen und ihre Gebete, Intentionen und Beschlüsse finden. Es gibt verschiedene heilige Feuer, das Feuer, das mit Holz gezündet wird, ist das männliche Feuer, das Feuer, das sie mit den kleinen Feuersteinen entfachen, ist das weibliche Feuer.
Wir werden sehr herzlich empfangen. Besondere Aufmerksamkeit bekommt immer wieder Rajendra Singh, da er das heilige Wasser von etwa 7.000 Meter Höhe aus dem Himalaya gebracht hat. Obwohl er sehr andere Formen des Gebets mitbringt und eine sehr andere Männlichkeit repräsentiert, bringen sie ihm große Achtung entgegen. Sie erkennen in ihm den Wassermann Indiens. Er spricht oft Hindi, wechselt immer wieder ins Englische und Indra bringt einen großen Einsatz, um seine Informationen und seine Denkweise an uns zu vermitteln.
Sie bringen auch Cheryl großen Respekt entgegen, die aus Nordamerika zu ihnen gekommen ist. Insgesamt ist es für sie selbstverständlich, Elders zu ehren. Auch ich gelte für sie als „Elder“ und werde immer wieder als Mutter der DSA und von Tamera vorgestellt.
Keine Gruppe, Institution oder Bewegung wird Kraft haben, ohne dass die Beziehung zu ihrem Ursprung reingehalten wird. Das ist eine der tiefen Lehren, die ich aus allem immer wieder hinaushöre.
Ich bin mir bewusst, dass es auch unter den vier Stämmen, die hier das Herz der Sierra Nevada hüten, durchaus Konflikte gibt, die teilweise auch zu Mord und Intrigen geführt haben. Ich vermute, dass es kaum noch einen Ort auf dieser Erde gibt, der nicht vom Gift der Zivilisation und von der falschen Macht durchtränkt ist, aber ich sehe es auf dieser Reise mehr als meine Aufgabe an, den Kern ihrer Mythologie und ihres Glaubens zu verstehen. Später, wenn wir vertieft in die direkte Kooperation einsteigen möchten, ist es natürlich entscheidend, dass wir uns auch mehr in die sozialen Hintergründe und Konflikte hineindenken, um herauszufinden, was denn wirklich unsere Unterstützung sein kann.
Für mich ist es eine erste innere Richtlinie, einen Ort kennenzulernen und die Denkweise der Menschen zu verstehen, die ihn bewohnen. Wenn das Vertrauen aufgebaut ist, besteht meine Aufgabe auch darin, Kritik einzubringen oder kritische Fragen zu stellen.
Ich erhalte die Erlaubnis, etwas von den heiligen Wassern von diesem Ort mitzunehmen, um es an unseren Altar von Tamera zu bringen, genauso, wie ich einen kleinen Stein von den Mamos am Berg der Wasser Inarwa habe segnen lassen, auf den meine Aufmerksamkeit fiel.
Wir gehen früh zu Bett. Es war ein langer und beeindruckender Tag.
Am Morgen treffen wir uns noch vor dem Frühstück, um den Treffpunkt all der Gemeinschaften zu sehen, wo sich die verschiedenen Stämme und Familien zu größeren beratenden Versammlungen treffen. Einmal im Jahr finden dort oben Versammlungen statt. Hier wird die neue Regierung der indigenen Gemeinschaften gewählt wird. Sie haben ihre eigene Form der Regierung, wo Wasser, Erde, Luft, Feuer, Tiere und Pflanzen ihr Mitspracherecht haben.
Im Folgenden fasse ich noch einmal ihre Art und Weise zu denken zusammen, soweit ich es in der kurzen Zeit verstehen konnte:
- Die verschiedenen Berge und Stämme sind auch den verschiedenen Elementen zu geordnet.
- Es gibt zu jedem Mamo auch eine entsprechende weibliche Priesterschaft, die sie Sana nennen.
- Ka bedeutet Erde. Kaduku, der Ort, wo sie mit der Erde kommunizieren.
- Ta bedeutet Wahrheit. Als Allianz vereinen wir viele Qualitäten, die Erde kreiert die heilige Ordnung und wir haben die Aufgabe, uns mit ihr zu harmonisieren.
- Auch unsere Deklaration muss mit den Erd- und Wasserrechten abgestimmt sein.
- Wir alle repräsentieren unsere heiligen Orte und „Sie“ wird uns erkennen. Wir brauchen immer ihre Erlaubnis und Abstimmung mit ihr, nur so können wir unser Ziel erreichen.
„Wenn wir dem Leben dienen und heilend wirken wollen, ist es entscheidend, zunächst den eigenen inneren Frieden zu erkennen und herzustellen, damit wir offen für ihre Mitteilungen sind. Unser erster Kraftort ist immer unser eigenes Herz, das in Resonanz mit dem Kosmos steht. Es ist entscheidend, dass wir die Mikroorganismen wieder heilen, um sie dann mit dem ganzen Organismus in Resonanz zu bringen.“
Dafür brauchen wir eine natürliche Macht, die „Sie“ uns geben wird, nicht die kranke Macht, von der die Erde heute beherrscht wird.
„Im Grunde braucht die DSA eine Schule, wo wir die Kommunikation mit der Erde erlernen können“, sagt Ati. „Es gibt keinen anderen Weg. Entweder erhöhen wir unser Bewusstsein oder wir gehen unter. Wir leben in einer sehr speziellen Zeit, in einer Art Morgendämmerung.“
Es ist die Angst, die uns davon abhält und unser Bewusstsein daran hindert, zu erwachen. Ati spricht darüber, dass auch die Arhuaco eine Patriarchalisierung durchlaufen haben, und dass es für die kommende Zeit von großer Bedeutung sein wird, die beiden Kräfte – die weibliche und die männliche Kraft – in Balance zu bringen, so dass die Energie reingehalten werden kann, aus der alle Schöpfung kommt.
Es geht ihnen darum, die heiligen Orte der Frauen zu schützen und wieder mehr ins Bewusstsein zu bringen. Kumuku nennen sie das heilige Wissen der Frauen. Aus diesem Wissen gebiert sich eine kollektive Leitungskraft und die Verbindung mit der ursprünglichen Vision. Gemeinsam wird sich daraus ein Plan für lokale und globale Aktionen aufbauen, die die Erde dringend braucht.
In ihrer Vorstellung folgten alle unsere verschiedenen Gebete und Aktionen einem Plan. Am achten Tag haben wir unser Wissen vor die Schneeberge getragen und es wird sich offenbaren, welche Handlungen daraus hervorgehen werden. Das Wasser trägt die Geschichte eines großen Schmerzes. Hier vor den Schneebergen synchronisieren wir die Gewässer miteinander. Wir vermischen sie nicht, denn jedes Wasser trägt seine eigene Identität.
Der Mamo ist glücklich über das Wetterverhalten. Die Wolken lichten sich während unserer Gebete und hinter der lichten Wolkenschicht kann man die Schneeberge ahnen.
„Sie nehmen unsere Gebete entgegen.“
Wie vertraut mir derartige Gedanken sind und wie entfernt sind sie gleichzeitig von moderner Wissenschaft und Politik. Kurz vor unserer Rückkehr zeigt sich ein wunderschöner Regenbogen.
Es ist bewegend die vielen kleinen Lehmhäuser zu sehen, wo seit vielen Jahrhunderten die Zusammenkünfte aller Stammeslinien stattgefunden haben: ein Haus für die Mamos und viele weitere Häuser für alle Untergruppen, alle bedeckt mit einer besonderen Strohbedachung. An diesem Ort wird so lange getagt, bis sich die neuen Botschaften gezeigt haben und die Vertreter gefunden wurden, die gemeinsam die Verantwortung für das Ganze annehmen. Dieser Vorgang wird zu bestimmten Zeiten mit spirituellen Tänzen unterstützt. Die Menschheit durchläuft neun Zyklen, so wie ein Embryo neun Monde im Bauch der Mutter verbringt, hat die Zahl neun eine wesentliche Bedeutung für Manifestationsvorgänge. Dunkelheit und Licht spielen darin eine wesentliche Rolle.
Die Zerstörung und Bedrohung ihrer Tradition begann mit der Christianisierung, als die Kapuzinermönche versuchten altes Stammeswissen zu missionieren.
Das, was in Europa vor etwa 7.000 Jahren begann, hat hier erst im letzten Jahrhundert die Oberhand gewonnen, die Zerstörung und Vernichtung alten Friedenswissens.
Gegen Ende unseres Bergbesuches gehen wir noch einmal zu dem Kaduku von Nawusimaka, um uns dort zu verankern. Die Frauen, die diesen Ort hüten, kommen mit uns. Der kleine Steinkreis ist umgeben von einer großen Pflanzenvielfalt und vielen Bäumen. Sie repräsentieren die Kraft der Sohnschaft. Wir verankern unseren Dank und unser Gebet an diesem magischen Platz. Diese Verankerung an heiligen Plätzen vollziehen sie immer. Es erinnert mich an die Mitteilung, die ich in Malta bei meiner spirituellen Reise empfangen habe:
„Immer, wenn du etwas Neues beginnst, gehe erst zurück an den Ursprungsort, um Altes abzuschließen.“
Es ist bereits fortgeschrittener Morgen, als wir die abenteuerliche Strecke hinunter ins Tal zurückfahren. Es ist eine echte Wunderleistung, wie der Fahrer uns durch Bäche und an steilen Furchen und Abhängen vorbei manövriert, als hätte unser Auto Flügel. Der Geist des Landes schien uns gut gesonnen zu sein. Für mich waren diese Tage der Höhepunkt der Reise. Ich danke, dass wir einen tiefen Einblick in die Kosmologie der Arhuaco und der Kogi erhalten duften.
Nach ihrer Tradition ist es wichtig, dass jeder Gast, der die Zusammenarbeit vertiefen möchte, vier Mal zu Besuch kommt, um ihre Sprache und Mythologie wirklich zu verstehen. Immer wieder sagt uns der Mamo, dass er seine eigene Sprache – eine Chibchense-Sprache – sprechen muss, da es in der Übersetzung ins Spanische gar nicht die Worte gibt, die wiedergeben können, was die Erde ihnen sagt, beziehungsweise was sie in ihren Gebeten der Erde mitteilen.
Ati erzählt, dass ihre Mutter die erste Frau der Arhuaco war, die die Universität besucht hat, da deren Mutter, eine Frau eines hoch stehenden Mamos, ihr gesagt habe, dass es wichtig sei, Spanisch zu lernen und ihr Wissen an die Spanier zu vermitteln.
Nach einer abenteuerlichen Rückreise kommen wir am Mittag wieder in Pueblo Bello an. Die andere Gruppe hat die Zeit genossen und sie haben sich im Gebet mit uns verbunden. Man spürt, dass die Aufteilung sinnvoll war und die Gruppe energetisiert hat. Jetzt geht es darum, die beiden Strömungen miteinander zu verbinden.
Jeder bekommt einige Minuten, um in einer Zeremonie am Kaduku das Wesentliche am Feuer zu verankern. Eleanor beschreibt in bewegenden Worten, wie wichtig für sie das lebendige Erleben der Tradition der verschiedenen Stämme ist, und dass es für sie wie ein „Nachhausekommen“ ist, wo sie etwas von dem Gemeinschaftsleben wiederfindet, das sie bei sich zu Hause verloren haben. „Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe, wenn ich nach Hause komme“, sagt sie. Ati und die Frauen des Stammes gehen zu ihr, umarmen und segnen sie.
Für mich war das ein stiller bewegender Höhepunkt der Zeremonie und ich habe den starken Impuls, die Runde abzuschließen, aber die anderen wollen weitermachen. Bei dem Versuch, die verschiedenen Aspekte zu verbinden, kommen erneute Spannungen auf.
In einem Moment der Zeremonie bringt Lalo die Frage der Konflikte zwischen den verschiedenen Stämmen ein und sagt, dass ihm zu Ohren gekommen sei, dass es mächtige soziale Konflikte unter den Gruppen gab. Sicher sagte er diese Worte mit guter Absicht, und trotzdem fühlt man, dass es den Rahmen sprengte und viel zu viel Zeit und Raum einnahm, zumal wir am Anfang gebeten wurden, sehr bewusst mit der Zeit umzugehen, um den Gesamtvorgang im Gebet abzurunden.
Ati reagiert verletzt. Sie bittet den Mamo um Aufklärung, und sagt, dass dies nicht der Moment sei, Konflikte anzusprechen, weil wir das Ergebnis unserer klaren Gebete und Gedanken hier verankern möchten.
Der 100-jährige Mamo reagiert sehr schlicht und mit enormer Weisheit. Er sagt nur den Satz:
„Du hast Recht Bruder, es ist unser aller Aufgabe, zusammenzufinden.“
Da man mich um die Moderation der Runde gebeten hatte, schlage ich entschlossen vor, sie zu schließen und morgen noch einmal den Raum für wirkliche Fragen zu öffnen. Um ein Gruppenkörper zu werden, steht uns im sozialen Bereich Arbeit bevor. Auch um immer intimer den Unterschied zwischen Zeremonie und sozialem Austausch zu klären. Unter Berücksichtigung, dass wir als Gruppe kaum Gelegenheit dazu hatten, uns und unsere verschiedenen Kulturen näher kennenzulernen, denke ich, dass es uns gelungen ist, trotz aller Herausforderungen, solidarisch zu bleiben.
Aber ich kann auch klar sagen, dass ich es so nicht wiederholen würde, mit einer Gruppe von Menschen, die ich kaum kenne, an einen Ort zu fahren, wo wir eigentlich gekommen sind, um die Kultur vor Ort kennenzulernen.
Eine Allianz braucht klare ethische Richtlinien und auch eine gemeinsame Vorbereitungszeit, um den kollektiven Gruppenkörper aufzubauen. Wenn das nicht der Fall ist, kann selbst die beste Intention eher destruktiv als heilend wirken.
Wir werden Nacharbeit machen müssen. Denn natürlich ging es auch um die Frage, wie die Allianz weiterarbeiten wird. Mein großer Wunsch nach Vertiefung und klarer gemeinsamer Ausrichtung schien für einige ein Widerspruch zu dem Wunsch zu sein, die Allianz zu vergrößern und mehr Menschen einzuladen. Aus meiner Sicht lässt sich das durchaus miteinander verbinden, wenn sich ein klares Koordinationsteam zusammenstellt und eine klare gemeinsame Ausrichtung und Intention herausbildet.
So gehe ich mit vielen seelischen Hausaufgaben aus dieser Zeit hervor. Diese Erfahrung hat mir die Schönheit einer ursprünglichen Schöpfungsmythologie und Tradition offenbart, von der ich gerne mehr lernen möchte und mit der ich mich sehr verbunden fühle. Ich habe den dringlichen Notruf der Friedensgemeinschaft in San José vernommen. Wir wurden Zeuge von einer globalen destruktiven Kraft, die weltweit Friedensinitiativen bedroht und überrollt. Die Reise hat uns aber auch die vielen Ungereimtheiten der modernen Kultur gespiegelt.
Ich danke für unser Durchhalten, ich danke für die Solidarität, die trotz menschlicher Schwierigkeiten immer wieder gesiegt hat. Ich danke allen Sponsoren, die diese Reise ermöglicht haben und ich bitte um Weisheit und menschliche Intelligenz, um aus den Fehlern, die auch gemacht wurden, zu lernen.
Ich habe viele neue Menschen kennengelernt, deren Einsatz ich sehr schätze, und ich vermute, dass wir weitere Aufgaben miteinander haben werden.
Ich bin sehr dankbar, dass Helena, die sehr viel Erfahrung in der Begleitung von Gruppen mitbringt, die unter ständiger Bedrohung stehen, sich dazu entschieden hat noch einmal gemeinsam mit Carmen aus Österreich die Friedensgemeinschaft zu besuchen. Jedes offene internationale Herz mit spanischen Sprachkenntnissen kann helfen, Leben zu schützen.
Mit Indra und anderen arbeiten wir nachträglich an einer weiteren Deklaration für den Schutz der Friedensgemeinschaft. Am 4. Dezember planen wir diese Erklärung zu verschicken, die die Welt auf die Notsituation der Friedensgemeinschaft aufmerksam machen soll, damit die Comunidad de Paz für ihren Schutz internationale Unterstützung bekommt. Alle, die hier irgendwie mitdenken wollen oder können, bitten wir darum, an der Weiterverbreitung der Botschaft mitzuwirken, denn hier kann internationale Hilfe Leben retten.
Ein großer Teil der internationalen Welt sieht nicht, wie sehr sich die Situation in den letzten Jahren verschlimmert hat. Ein großer Teil der Medien hält uns in dem Glauben, dass es kein Paramilitär mehr gibt und dass in Kolumbien Friede eingezogen sei.
Sonntag, 24. November
Heute fliegt der größte Teil der Delegation zurück nach Medellín. Ich fliege zusammen mit Helena, Tracy und Miguel Angel nach Bogotá.
Montag, 25. November, bis Donnerstag, 28. November
Meine letzten Tage verbringe ich wieder zusammen mit dem ursprünglichen Team in unserer wunderschönen Bleibe in der Hauptstadt. Ich bin froh, unsere Genossinnen Andrea, Elisa und Katja wohlbehalten wieder zu treffen. Sie hatten noch inspirierende Tage in der Friedensgemeinschaft von San José und leisteten mit ihrer Anwesenheit internationalen Schutz für die Menschen dort. Ich bin dankbar für die schöne und solidarische Energie unter uns, und so habe ich die Möglichkeit nach all den Anstrengungen auch etwas auszuruhen.
Wir wagen sogar einen Besuch in den heißen Quellen bei Choachí, wofür wir über eine Stunde Busfahrt in Kauf nahmen. Es war nicht ganz so erholsam, wie wir es uns ausgemalt hatten, aber ein kleines „Touristenabenteuer“.
Ein letzter politischer Akt auf dieser Reise war das Treffen mit dem Padre Javier Giraldo, der uns noch einmal einige politische und menschliche Hintergründe aufzeigte, und das Treffen mit einer Delegation von Abgeordneten aus den verschiedensten Ministerien, das Gloria Cuartas für uns organisiert hat. Hier sprachen wir mit Mitarbeitern der Defensoría del Pueblo (Ombudsstelle der kolumbianischen Regierung), des Innenministeriums, der Cancillería des kolumbianischen Außenministeriums, des Ministerio de Minas y Energía (Ministerium für Bergbau und Energie) und der Unidad de Implementación del Acuerdo de Paz (Abteilung für die Umsetzung des Friedensabkommens), die von Gloria Cuartas geleitet wird.
Es war gut für uns zu sehen, dass die Friedensgemeinschaft durchaus wahrgenommen und auch geschätzt wird. Auch von ihrer Seite kam der ausdrückliche Aufruf zu mehr internationaler Präsenz. Es wurde deutlich, dass der Prozess, den die linke Partei zu ihrer Regierungszeit eingeleitet hat, ein langsamer Vorgang ist, der auch auf viel Opposition stößt. Ich fühle mich als Mensch unter Menschen, die ihr Bestes geben. Möge die Deklaration, die wir derzeit vorbereiten, menschliche Herzen erreichen, die willens sind, zu helfen.
Eine Stunde vor unserer Abreise schließe ich diese Zeilen. Ich bin dankbar für diese Zeit und auch voller Fragen.